Die  Nutzungsfreude – Joy-of-Use

Die Fokussierung rein auf die ziel- und aufgabenorientierte Usability reicht nicht aus. Die Faktoren Spaß und Freude müssen berücksichtigt werden. Diese haben positive Auswirkung auf Akzeptanz und Zufriedenheit von Produkten und Systemen. (Vgl. Burmester/Hassenzahl/Koller, 2002, S. 33) Eine mögliche Definition von Joy-of-Use lautet folgendermaßen:

„Joy of use eines Software-Produkts ist das freudvoll-genussreiche Erleben der Qualität der Interaktion und der Möglichkeiten, die sich für einen bestimmten Nutzer in einem bestimmten Kontext als Folge des überwiegend unauffälligen, hervorragenden Funktionierens und aufgrund der den Nutzer ästhetisch ansprechenden Gestaltung durch motivierten und den Zielen und Interessen des Nutzers entsprechenden Gebrauch der Software manifestiert.“ (Hatscher, 2001, S. 445)

Besteht ein hoher Spaßfaktor bei der Nutzung eines Systems, verbringen AnwenderInnen mehr Zeit mit dem System. NutzerInnen erhalten so einen tieferen Einblick, verwenden es produktiver und die Qualität der Arbeit steigt. Im Gegensatz dazu wird Stress in den wenigsten Fällen Nutzungsfreude ermöglichen. Oftmals wird ein Bezug zu Computerspielen hergestellt und teilweise empfohlen, dass sich EntwicklerInnen an diese orientieren. Auch Anwendersoftware kann über den rein praktischen Nutzen der Funktionalität erweitert werden. (Vgl. Sarodnick/Brau, 2006, S. 93f) Für die Bewertung wahrgenommener Produktqualitäten wird ein Zwei-Komponenten-Modell vorgeschlagen. Beide haben Auswirkung auf die Attraktivität eines Produkts oder Systems:

  • Pragmatische Qualität (PQ): Im Fokus steht wahrgenommene Nützlichkeit (Nutzen und Gebrauchstauglichkeit).
  • Hedonistische Qualität (HQ): Bezieht sich auf menschliche Bedürfnisse (z.B. Neugier) und nicht-zielorientierte Eigenschaften (z.B. innovativ oder exklusiv) oder aufgabenbezogene Ansätze. (Vgl. Burmester/Hassenzahl/Koller, 2002, S. 34)

Ein Forschungsmodell zur Verarbeitung von Produktqualitäten unterscheidet drei essentielle Gesichtspunkte (siehe Abbildung):

  • Objektive Produktqualität: Der Designer verleiht einem Produkt, bewusst oder unbewusst, eine bestimmte pragmatische (z.B. übersichtlich) und hedonistische (z.B. innovativ) Produktqualität.
  • Subjektive Qualitätswahrnehmung und -bewertung: NutzerInnen nehmen Qualitäten von Produkten wahr und beurteilen diese. Wichtig ist die Trennung von Wahrnehmung und Bewertung. Zusammengefasst werden die pragmatische und hedonistische Qualität aus NutzerInnensicht durch die Attraktivität.
  • Verhaltens- und emotionale Konsequenzen: Der Prozess der Bewertung hat zwei mögliche Auswirkungen zur Folge:
    Verhalten: Zum Beispiel wird ein Produkt häufiger oder weniger genutzt oder die Qualität kann steigen bzw. zurückgehen.
    Emotionen: Es wird zum Beispiel Lust, Freude oder Ärger empfunden.

Emotionen und Verhalten müssen sich nicht ausschließen und können korrelieren. Sollen ein nachhaltiges Nutzungserlebnis und attraktive Produkte (also die Realisierung von pragmatischer und hedonistischer Qualität) geschaffen werden, so ist der Schwerpunkt auf die subjektive Wahrnehmung der AnwenderInnen zweckmäßig. (Vgl. Burmester/Hassenzahl/Koller, 2002, S. 34)

Abbildung: Forschungsmodell zur Verarbeitung von Produktqualitäten
(Abbildung entnommen aus: http://www.karsten-nolte.de/ux-von-websites/theoretische-konzepte-undprinzipien-
zur-wahrnehmung/subjektive-eindrucksbildung-der-attraktivitat-nach-hassenzahl-et-al/ [19.06.2013].)

Im Gegensatz zur Gebrauchstauglichkeit, wo Zufriedenheit einen wesentlichen Einflussfaktor darstellt, dominieren beim Joy-of-Use-Konzept Spaß bzw. Freude. Haben AnwenderInnen gewisse Erwartungen an ein Produkt und werden diese Erwartungen erfüllt, so sind sie zufrieden. Freude hingegen benötigt keine Erwartungen. Je unerwarteter ein Ereignis auftritt, desto intensiver wird Freude eintreten. Zufriedenheit und Freude treten üblicherweise zusammen auf. (Vgl. Hassenzahl, 2003, S. 38)

Neben der erwähnten Definition sind auch die Begriffe „Pleasurability“ bzw. „Pleasurable Products“ von Bedeutung. Jordan ordnet vergnüglichen Produkten emotionalen, hedonistischen und praktischen Nutzen zu. Pleasurability steht dabei nicht nur als reine Eigenschaft für ein Produkt, sondern für die Interaktion zwischen AnwenderInnen und Systemen. (Vgl. Jordan, 2000, S. 12ff) Für den menschlichen Verstand ist der Unterschied zwischen einem funktionierenden und einem schönen, funktionierenden Produkt nicht von Bedeutung. Auf emotionaler Ebene allerdings schon: Der Verstand fällt keine ästhetischen Urteile. Norman verwendet hier den Begriff „Affekt“. Dieser ist gegenüber den Worten Gefühl oder Emotion neutraler. Der Affekt beeinflusst die Ausführung von kognitiven Aufgaben. Affekt und Kognition hängen zusammen, wie Usability und Ästhetik.

Joy-of-Use ist aus der Marketingkommunikation nicht mehr wegzudenken und für Unternehmen und deren Produkte zum Differenzierungsmerkmal geworden. Norman ergänzt, dass Produkte leistbar, zweckmäßig und vergnüglich in der Nutzung sein sollen. Attraktive Systeme funktionieren besser. (Vgl. Norman, 2002, S. 38ff) Die bereits diskutierten Ansätze zur Nutzungsfreude beziehen sich mehrheitlich auf die von Hassenzahl et al. durchgeführten Untersuchungen. Es sollen in der folgenden Tabelle noch weitere Ansätze des Joy-of-Use erwähnt werden: 





ANSATZBESCHREIBUNG
Ansatz nach Overbeeke et al.
  • NutzerInnen sind hauptsächlich an Herausforderungen und Erfahrungen interessiert, weniger an Produkten selbst
  • Funktionstüchtigkeit gilt als Basis für Ästhetik in der Interaktion
  • Individualisierung von Produkten –> NutzerInnen sollen sich selbst einbringen können
  • Zahlreiche Regeln für Joy-of-Use-orientierte Produktgestaltung aufgestellt (u.a. „Don’t think product, think experience“) (Vgl. Overbeeke et al., 2003, S. 12ff)
Ansatz nach Sengers
  • Die Aufhebung der Trennung von Software im beruflichen Kontext und spielerischer Software steht im Vordergrund („serious play“)
  • Voraussetzung für positive Erlebnisse ist funktionierendes System
  • Drei Grundsätze für den Erfolg eines Systems: 1. einfache Visualisierung, aber Zulassen von komplexer Interpretation durch NutzerInnen 2. Systeme selbst sind einfach und selbsterklärend 3. Bedeutung der Daten wichtig, nicht die Daten selbst (Vgl. Sengers, 2003, S. 25ff)
Ansatz nach Brandtzæg et al.
  • Basis für Modell ist „Demand-Control-Support“ von Karasek, welches sich mit Zufriedenheit im Arbeitskontext beschäftigt
  • NutzerInnen haben Gefühl, Kontrolle über die Situation zu haben
  • Herausforderungen sind an individuelle Fähigkeiten angepasst
  • Variation bietet Abwechslung und entgegnet Langeweile
  • Austausch mit anderen durch soziale Interaktion (Vgl. Brandtzæg/Følstad/Heim, 2003, S. 55ff)

Quellen:

Burmester, Michael/Hassenzahl, Marc/Koller, Franz: Usability ist nicht alles – Wege zu attraktiven Produkten, in: I-Com Zeitschrift für interaktive und kooperative Medien, 1/2002, S. 32–40

Hatscher, Michael: Joy of use – Determinanten der Freude bei der Software-Nutzung, in: Oberquelle, Horst/Oppermann, Reinhard/Krause, Jürgen (Hrsg.): Mensch & Computer 1. Fachübergreifende Konferenz, Wiesbaden, 2001, S. 445–446

Sarodnick, Florian/Brau, Henning: Methoden der Usability Evaluation. Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Anwendung (Praxis der Arbeits- und Organisationspsychologie), Bern, 2006

Jordan, Patrick W.: Designing Pleasurable Products: An Introduction to the New Human Factors, London, New York, 2000

Norman, Donald A.: Emotion and design: Attractive things work better, in: Interactions Magazine (ix), 4/2002, S. 36–42

Overbeeke, Kees et al.: Let’s make things engaging, in: Blythe, Mark A. u.a. (Hrsg.): Funology. From usability to enjoyment (Human-computer interaction series 3), Dordrecht, 2003, S. 7–17

Sengers, Phoebe: The engineering of experience, in: Blythe, Mark A. u.a. (Hrsg.): Funology. From usability to enjoyment (Human-computer interaction series 3), Dordrecht, 2003, S. 19–29

Brandtzæg, Petter B./Følstad, Asbjørn/Heim, Jan: Enjoyment: Lessons from Karasek, in: Blythe, Mark A. u.a. (Hrsg.): Funology. From usability to enjoyment (Humancomputer interaction series 3), Dordrecht, 2003, S. 55–63


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